Elf Übersetzer_innen im Gespräch: Heute Christina Frankenberg
Wie sind Sie dazu gekommen, tschechische Literatur zu übersetzen? Als ich noch zur Schule ging, kam meine Mutter, selbst Slawistin, wegen häufiger Reisen nach Prag auf die Idee Tschechisch zu lernen. Sie fragte mich, ob ich Lust hätte, zusammen mit ihr einen Tschechisch-Kurs an der Volkshochschule zu besuchen. Unschuldig sagte ich ja, hätte das Projekt nach einem Monat jedoch schon wieder aufgegeben. Meine Mutter jedoch hatte mehr Durchhaltevermögen, sie brachte auch mich dazu, weiterzumachen. Und so ging ich weiterhin mit ihr in den Tschechisch-Kurs, schrieb ihre Hausaufgaben ab, plagte mich mit der Aussprache des Ř und sprach kein Wort Tschechisch, wenn wir in Prag waren. Als ich dann größer war und ohne elterliche Begleitung mit einer Freundin öfter nach Prag fuhr, begann ich mich ernsthaft für die Menschen, die Kultur und die Sprache zu interessieren und entschied mich dann, Bohemistik zu studieren. Über das Studium kam ich dann auch bald zum Übersetzen.
Haben Sie einen Übersetzungswunsch, den Sie sich bisher noch nicht erfüllen konnten? Ich würde gerne einen Band mit den spannenden Tagebuchaufzeichnungen des einst gefeierten, später verfemten Drehbuchautors und Regisseurs Pavel Juráček zusammenstellen und übersetzen. Einige Tagebucheinträge habe ich bereits übertragen und in mehreren Veranstaltungen vorgestellt. Schwieriger ist es, einen Verlag zu finden, der sich für Juráčeks Texte begeistern kann.
Gibt es in Ihrer langjährigen Übersetzungsarbeit ein Wort / eine Phrase, die besonders schwer zu übersetzen war? Auf Ausdrücke, die sich schwer oder ungenau oder nur mit anderen Bildern übersetzen lassen, trifft man immer wieder, die gibt es wohl bei allen Übertragungen von einer Sprache in eine andere. Zum Beispiel: Wenn man sich im Deutschen sehr schämt, versinkt man im Erdboden. Das kann man im Tschechischen auch so sagen, zusätzlich kann man aber auch „durch den Abflusskanal gehen“ also „chodit kanálem“, um in seiner Schande keinem unter die Augen zu kommen. Aber versteht das im Deutschen jemand, wenn man es wortwörtlich übersetzt?
Haben Sie ein tschechisches Lieblingswort und warum? Ich mag sehr viele tschechische Wörter und Redewendungen, die Flexibilität der Sprache und ihre Offenheit für Wortspiele. Während man im Deutschen zusammengesetzte Wörter bildet, die manchmal arg schwerfällig daherkommen, reicht im Tschechischen ein niedliches Wort wie šitíčko – und alles ist gesagt. (Wobei in diesem Fall das deutsche Pendant Nähzeug auch nicht länger ist.) Ein dauerhaftes Lieblingswort habe ich nicht. Ich stoße immer wieder auf neue, die mir gut gefallen. Vor kurzem etwa das neu gebildete Akronym kopr, das nicht etwa Dill meint, sondern nicht ganz schriftsprachlich eine wirklich ausgeprägte Arbeitsunlust.
Was ist Ihr tschechischer Lieblingsautor / Buch? Einen einzigen Liebling habe ich nicht. Bücher, die mir in letzter Zeit gut gefallen haben, sind Do tmy von Anna Bolavá oder Augustin Zimmermann von Zuzana Kultánová, beide leider noch nicht ins Deutsche übersetzt.
Leipzig2020Tschechien sprach mit Christina Frankenberg und weiteren Übersetzer_innen, die eigentlich in Leipzig zur Buchmesse auftreten sollten, oder ein Buch oder eine Leseprobe der für die Leipziger Buchmesse 2020 nominierten Autoren übersetzt haben.
Leipzig2020Tschechien dankt allen Übersetzer_innen für ihre Arbeit und ihren Einsatz für die Verbreitung der tschechischen Literatur.
Foto: © Natálie Košťálová