Elf Übersetzer_innen im Gespräch: Heute mit Kathrin Janka
Wie sind Sie dazu gekommen, tschechische Literatur zu übersetzen? Dass ich als „Westdeutsche“ Ende der 1980er/Anfang der 1990er Jahre Slawistik mit Schwerpunkt tschechische Literatur studiert habe, ist die Schuld von Onkel Václav. Er war ein entfernter Verwandter meines Vaters, der 1914 aus Böhmen nach England emigrierte und dort eine Schuhfabrik eröffnete. Als ich ihn in den 1970er Jahren kennenlernte, war das ein riesengroßer alter Herr mit schlohweißem Haar und einem Knotenstock. Es sprach sechs Sprachen fließend, pflegte aber sowohl im Englischen als auch im Deutschen seinen tschechischen Akzent. Einmal im Jahr reiste er in die ČSSR zum Grab seiner Mutter und machte unterwegs bei uns in Deutschland halt. Irgendwie wurde er dann zu meinem Vorbild.
Haben Sie einen Übersetzungswunsch, den Sie sich bisher noch nicht erfüllen konnten?
Ja, ich habe übersetzerische Träume unterschiedlichster Art. Einer ist ganz konkret: Hoffentlich erscheint die eine Übersetzung eines wichtigen, guten, interessanten literarischen Werks, die ich vor über einem Jahr für einen Verlag gemacht habe und die aus mir nicht ganz verständlichen Gründen bis heute nicht erschienen ist, doch noch (und bald)! Da wäre ich sehr froh. Aber Sie haben es sicher eher inhaltlich gemeint. Ich würde mich sehr freuen, weitere Bände von Magdaléna Platzová zu übersetzen (u.a. den „Anarchisten“, der bis heute leider keinen deutschen Verleger gefunden hat), dann weitere Erzählungen von Dora Čechová. Und für die Schublade arbeite ich bereits an den Erzählungen von Jana Zábrana.
Gibt es in Ihrer langjährigen Übersetzungsarbeit ein Wort / eine Phrase, die besonders schwer zu übersetzen war?
Es gibt so viele „Nüsse“ ... dazu bin ich ein Mensch, der Poesie, Wortspiele und die klassische Avantgarde liebt. Das heißt, in meinen Übersetzungen häufen sich die Nüsse ständig, und das gehört für mich zu dem Spiel, diesem sonderbaren Sport, als den ich das Literaturübersetzen begreife. Eine besondere Einzelnuss habe ich nicht zur Hand, sondern betrachte das Nüsseknacken letztlich als Essenz der Literaturübersetzung an sich.
Haben Sie ein tschechisches Lieblingswort und warum?
Ja, mein Lieblingswort ist údržbář. Ich liebe es aus rein lautlichen Gründen, wie mir das ab und zu mit Wörtern geschieht.
Was ist Ihr tschechischer Lieblingsautor / Buch?
Als studierte Literaturwissenschaftlerin beantworte ich diese Frage ungern. Es gibt so viele tschechische Autoren, die ich mag! Ich nenne also folgende Titel: Richard Weiner: Hra doopravdy [Spiel im Ernst], Josef Jedlička: Kde život náš je v půlí se svou poutí [Grad in der Mitte unserer Lebensreise] und Jáchym Topol: Noční práce [Nachtarbeit]. Und von den neueren: Anna Bolavá, Do Tmy [leider noch ohne Übersetzung].
Leipzig2020Tschechien sprach mit Kathrin Janka und weiteren Übersetzer_innen, die eigentlich in Leipzig zur Buchmesse auftreten sollten, oder ein Buch oder eine Leseprobe der für die Leipziger Buchmesse 2020 nominierten Autoren übersetzt haben.
Leipzig2020Tschechien dankt allen Übersetzer_innen für ihre Arbeit und ihren Einsatz für die Verbreitung der tschechischen Literatur.
Foto: Knut Gerwers