Elf Übersetzer_innen im Gespräch: Heute Elmar Tannert
Wie sind Sie dazu gekommen, tschechische Literatur zu übersetzen? Man könnte sagen „aus Versehen“, vielleicht auch „durch Zufall“, aber Absicht war es jedenfalls nicht. Ich bin eigentlich Schriftsteller und lerne Tschechisch seit zehn Jahren zu meinem Privatvergnügen – siehe dazu auch meinen Blog „Tschechisch lernen/naučit se česky – Mission impossible?“ auf www.bbkult.net. Als mein Verleger mir ein antiquarisches Exemplar von „Sen o mém otci“ sandte, verbunden mit der Frage, was ich von dem Werk halte und ob ich mir vorstellen könnte, es zu übersetzen, konnte ich der Versuchung nicht widerstehen – nicht zuletzt, weil mich das Buch mit seiner packenden Authentizität sehr faszinierte.
Haben Sie einen Übersetzungswunsch, den Sie sich bisher noch nicht erfüllen konnten? Nein, denn ich bin ja Schriftsteller. Wenn ich aber tatsächlich ein Vollblutübersetzer wäre, so würde ich am liebsten den Schwejk ein drittes Mal übersetzen. Die Übersetzung von Grete Reiner mag ihre Mängel haben, aber die Neuübersetzung von Antonín Brousek hat wieder andere. So halte ich es zum Beispiel für ein völliges Unding, historischen Protagonisten aus dem ehemaligen österreichisch-böhmischen Kulturkreis die typisch neudeutsche (und eher norddeutsche) Modalpartikel „mal“ in den Mund zu legen – eines derjenigen Wörter also, an denen der Österreicher sofort den „Piefke“ erkennt. Aber vermutlich würde auch ich mir am Schwejk die Zähne ausbeißen.
Gibt es in Ihrer langjährigen Übersetzungsarbeit ein Wort / eine Phrase, die besonders schwer zu übersetzen war? Die nicht ganz salonfähigen Wörter können mir Kopfzerbrechen machen, denn schließlich hat auch Vulgarität ihre Nuancen und Abstufungen. In „Sen o mém otci“ war es das Wort šoustnutí.
Haben Sie ein tschechisches Lieblingswort und warum? Es gibt immer wieder neue, die mir über den Weg laufen und mir aus unterschiedlichen Gründen gefallen. Manchmal ist es schlichtweg der Klang, wie bei brnkačka, manchmal die Kuriosität, wie beim Germanismus imrvére.
Was ist Ihr tschechischer Lieblingsautor / Buch? Auch hier verteilt sich meine Liebe auf mehrere. Vor Kurzem bekam ich „Irgendwohin nach Haus“ von Petr Hruška in die Hand gedrückt. In jedem seiner Gedichte stecken ganze Welten – und auch die Stadt Ostrava, die ich dadurch noch einmal von neuem kennengelernt habe. Ansonsten schätze ich diejenigen Autoren sehr, die sich mit der gemeinsamen Geschichte beschäftigen, wie Radka Denemarková oder Jaroslav Rudiš.
Leipzig2020Tschechien sprach mit Elmar Tannertund weiteren Übersetzer_innen, die eigentlich in Leipzig zur Buchmesse auftreten sollten, oder ein Buch oder eine Leseprobe der für die Leipziger Buchmesse 2020 nominierten Autoren übersetzt haben.
Leipzig2020Tschechien dankt allen Übersetzer_innen für ihre Arbeit und ihren Einsatz für die Verbreitung der tschechischen Literatur.
Foto: Chris Civitillo