Anna Kow: Interview während der Residenz

Den November 2021 verbrachten Sie als Residenzautorin in der Mährischen Landeshauptstadt Brno – an welchen Moment ihres Aufenthalts erinnern Sie sich am liebsten?

Ein Highlight war auf jeden Fall mein Besuch der Ausstellung „Civilized Woman. Ideal and Paradox of the Visual Culture of the First Czechoslovak Republic“ in der Moravská Galerie. Wer vor dem 10. Juli 2022 in Brno ist, sollte sie sich anschauen, so lange läuft die Ausstellung noch. Es geht um das Frauenbild in der Tschechoslowakischen Republik der 20er und 30er Jahre und dessen Ambivalenz zwischen Emanzipation und alten wie neuen Formen der Einhegung und gesellschaftlichen Formung.

Ich hatte außerdem das Glück, dass gerade, als ich in Brno war, das Mezipatra Filmfestival stattfand, wo ich einige sehr gute Filme sehen konnte. Überhaupt wurden z.B. im Kino Art häufig auch deutsch- oder englischsprachige Filme im Original gezeigt, das war super. Einmal bin ich abends nach dem Kino noch in eine Kneipe gegangen, in der Musik gespielt wurde. Es stellte sich heraus, dass die Musiker:innen einfach auch Gäste waren, die Lust gehabt hatten, zu musizieren. Ich habe währenddessen gelesen, das mag ich ganz gerne, Lesen mit Hintergrundgeräuschen. Und das Bier war auch sehr lecker.

 

Sie leben in Leipzig, welche (kulturellen) Unterschiede oder Gemeinsamkeiten konnten Sie zwischen den beiden Partnerstädten während ihres Aufenthaltes beobachten?

Leipzig ist eine Fahrradstadt, Brno eher nicht. Dafür ist aber die Straßenbahn sehr günstig, sodass man alles, was zu Fuß zu weit wäre, gut erreichen kann. Ich bin trotzdem so oft es ging gelaufen, um möglichst viel von der Stadt zu sehen, und habe Fotos gemacht. Um wirklich tief einzutauchen in das kulturelle und gesellschaftliche Leben vor Ort, hätte ich wahrscheinlich länger dort sein müssen. Die hohen Coronazahlen im November, eine eher deprimierende Gemeinsamkeit mit Sachsen, haben wohl auch mit dazu beigetragen, dass das kulturelle und soziale Leben für mich nicht so im Vordergrund stand.

 

Woran arbeiteten Sie während Ihrer Zeit in Brno?

In Brno habe ich hauptsächlich an einem Lyrik- und Prosaminiaturprojekt gearbeitet, das im Moment den Titel „Trost und Träume“ trägt. Ich arbeite meist an mehreren Sachen gleichzeitig, im Moment auch noch an einem Prosaprojekt, was damit zu tun hat, dass sich nicht alles für eine bestimmte Form eignet, bzw. umgekehrt nicht jede Form für jeden Inhalt. Generell geht es mir darum, eine Balance zwischen Quatsch und Schwere zu finden, oder zwischen Ernst und Unernst, und welche Sprache oder Form des Schreibens ich brauche, um an diesen Punkt zu kommen.

Die Residenz in Brno hat mir ermöglicht, mich für eine Zeit lang nur aufs Schreiben zu konzentrieren, nachdem ich im halben Jahr davor vor allem mit dem Aufbau meiner Selbständigkeit beschäftigt gewesen war, ich arbeite ja auch noch als Lektorin, Redakteurin und Texterin; und damit, trotz Pandemie und ihren Begleiterscheinungen gesund und irgendwie motiviert zu bleiben.

 

Konnte die Stadt Sie dabei inspirieren?

Ja, auf jeden Fall. Mir hilft es immer, den Ort zu wechseln und in einer neuen Umgebung zu sein. Brno ist zudem eine Stadt, die Lust auf Entdeckung macht, mit ihrer Geschichte und interessanten Architektur. Ich war vor ein paar Jahren schon einmal für ein paar Tage da gewesen und wusste, dass es sich lohnt.

Viel Inspiration ziehe ich immer auch aus dem Lesen, wozu ich während meines Aufenthaltes endlich auch wieder Zeit hatte. Zu meinen Lieblingsbüchern im November gehörten „Strände. Warum sie mich kalt lassen“ von Wanda Coleman, „Die Aufdrängung“ von Ariane Koch“ und der Gedichtband „Rate, wie es ausgeht“ von der Tschechischen Autorin Jitka N. Srbová, der von Lena Dorn übersetzt im Leipziger Hochroth Verlag erschienen ist.

 

Das neue Jahr steckt noch in den Kinderschuhen – welche Projekte möchten Sie 2022 unbedingt voranbringen und hat Ihr Residenzaufenthalt Ihnen dabei helfen können?

Zuerst einmal möchte ich meinen schon bestehenden Projekten weiterarbeiten und sie weiter voranbringen. Perspektivisch hätte ich große Lust auf ein kollektives Projekt, gemeinsam mit anderen an etwas zu arbeiten. Die letzten Jahre haben mir noch einmal deutlich gezeigt, wie wichtig der Austausch mit anderen ist, wie sehr Kreativität und Erkenntnis von Begegnungen und Diskussion abhängen. Residenzen wie diese bringen im besten Fall beides zusammen: Rückzug und bezahlter Freiraum auf der einen und Austausch und neue Impulse auf der anderen Seite.

 

Das Interview mit der Autorin Anna Kow wurde von Theresa Clauberg geführt.

 

Foto: Archiv des Autors

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