Von Anežka bis Vernissage: Tschechien auf der Frankfurter Buchmesse
Tschechische Literatur wird auch zur Frankfurter Buchmesse vom 16. bis 20. Oktober mit dem Nationalstand der Tschechischen Republik in Halle 5.0 und sieben Veranstaltungen deutlich sichtbar sein.
Václav Havel 1989: Aus dem Gefängnis auf die Burg
Zum Auftakt der Präsentation Tschechiens in Frankfurt sind alle Besucher herzlich zur deutschsprachigen Vernissage der Fotoausstellung „Václav Havel 1989: Aus dem Gefängnis auf die Burg“ am Donnerstag (17. Oktober), 15.00 Uhr, an den Nationalstand der Tschechischen Republik, in Halle 5.0, Stand B 116, eingeladen.
Im April 1989 wurde der tschechische Dramatiker und Dissident Václav Havel mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet. Der erste und bislang auch letzte tschechische Preisträger saß damals bereits zum vierten Mal im Gefängnis. Der offizielle Grund: „Aufwiegelung“. An das Jahr Václav Havels 1989 erinnert die von Anna Freimanová, Václav-Havel-Bibliothek Prag, kuratierte Fotoausstellung. Für die architektonische und graphische Gestaltung zeichnet Martin Hrdina verantwortlich. Zur Vernissage sprechen unter anderem Michael Žantovský, Sprecher und Politischer Berater von Präsident Václav Havel (1990-1992), Botschafter a.D. und Direktor der Václav-Havel-Bibliothek Prag; Kateřina Kalistová, Vize-Kulturministerin der Tschechischen Republik.
Mehr als ein Wort: Václav Havel – Friedenspreisträger 1989
Um den berühmten Dramatiker, Dissidenten und Politiker dreht sich auch die Podiumsdiskussion am 18.10., 12:00 Uhr, in Halle 4.1. beim Weltempfang. Unter der Überschrift Mehr als ein Wort: Václav Havel – Friedenspreisträger 1989 findet das englisch-deutsche Gespräch mit Simultanübersetzung statt. Die Gäste sind: Michael Žantovský, Sprecher und politischer Berater von Präsident Václav Havel (1990–1992), Botschafter a. D.; Alexander Aleksejewitsch Drozdow, Leiter Boris-Jelzin-Präsidialzentrum in Jekaterinburg; sowie Politikwissenschaftler Hans Maier. Hintergrund: Vaclav Havel durfte das Land als „Feind des Regimes“ nicht verlassen, sodass seine Preisträgerrede „Ein Wort über das Wort“ in Frankfurt von dem Schauspieler Maximilian Schell vorgetragen wurde. Der Essay, in welchem der Autor über die wohltuende, aber auch vernichtende Macht des Wortes spricht und die Problematik des verantwortungsvollen Umgangs mit Worten behandelt, ist heute vielleicht aktueller denn je.
Was bleibt? Die samtene Revolution und ihre Impulse für Europa und Tschechien
Ein weiteres politisches Thema steht am 19.10., 14:00 Uhr, auf der International Stage in Halle 5.1 zur Debatte. Kulturjournalist Mirko Schwanitz diskutiert mit der tschechischen Schriftstellerin Radka Denemarková und mit Oliver Zille, Direktor der Leipziger Buchmesse die Frage: Was bleibt? Die samtene Revolution und ihre Impulse für Europa und Tschechien.
Vor 30 Jahren riefen Tausende auf dem Prager Wenzelsplatz „Havel auf die Burg!“ Und ermöglichten, was niemand für möglich hielt. Ein europaweit bekannter Dramatiker und Dissident wurde Präsident. Ein Jahrzehnt, von 1993 bis 2003, war Václav Havel Staatsoberhaupt der Tschechischen Republik. Er starb 2011. Die Zeiten und die gesellschaftlichen Verhältnisse änderten sich. Heute werden in Tschechien Menschen, Intellektuelle und Künstler, die seine Werte und Ideale vertreten, von Gegnern als „Havloid“ beschimpft. Was ist passiert? Und was ist von der Samtenen Revolution geblieben?
Aktuelle Neuerscheinungen tschechischer Autor*Innen
Welche Neuerscheinungen erwarten uns im Herbst auf dem deutschsprachigen Buchmarkt und wie werden die Übersetzungen der tschechischen Gegenwartsliteratur gefördert? Antworten darauf gibt am Donnerstag, 17.10., 15.20 Uhr, Martin Krafl, Programmkoordinator des Gastlandauftritts Tschechiens auf der Leipziger Buchmesse und Leiter des Tschechischen Literaturzentrums, am Nationalstand der Tschechischen Republik.
Zwei Autorinnen zu Gast in Frankfurt: Viktorie Hanišová und Dora Kaprálová
Viktorie Hanišová bietet am 16.10., um 10:30 Uhr, an der Leseinsel der unabhängigen Verlage der Kurt-Wolff-Stiftung in Halle 4.1 und am 17.10., 16:30 Uhr, am Nationalstand der Tschechischen Republik einen schmerzhaft-nüchternen Blick auf eine Mutter-Tochter-Beziehung, die von Anfang an gestört ist. Die Protagonistin ihres beim KLAK Verlag erschienen Buches Anežka namens Julie ist selbstbewusst, gebildet und welterfahren, aber ihr sehnlichster Wunsch, ein eigenes Kind zu bekommen, droht allmählich unerfüllbar zu werden. Sie beschließt, das ungewollte Roma-Mädchen Anežka bei sich aufzunehmen und umgeht so das Gesetz. Allerdings wird das Mädchen ständig mit Vorurteilen konfrontiert. Gnadenlos und unter die Haut gehend leuchtet Viktorie Hanišová die neuralgischen Punkte der tschechischen Gesellschaft aus. Die Übersetzerin des Buches, Hana Hadas, wird ebenfalls in Frankfurt sprechen.
Am Samstag, 19.10., 16:30 Uhr, stellt Dora Kaprálová ihr noch nicht auf Deutsch erschienenes Buch Winterbuch über die Liebe gemeinsam mit der Übersetzerin Nataša von Kopp am Nationalstand der Tschechischen Republik vor. Dora Kaprálovás Roman ist ein ironisches, provokatives und melancholisches Buch über Männer oder vielleicht nur über einen einzigen, vielgestaltigen und unerreichbaren Mann. Die Novelle entstand als Antwort auf das Werk „Eine Frau“ des ungarischen Schriftstellers Péter Esterházy.
Grafik: Martin Hrdina