Schaubühne Lindenfels zeigt: Tschechische Meister – Literaturverfilmungen 1929-1967
Anlässlich des Gastlandes Tschechien auf der Leipziger Buchmesse präsentiert die Schaubühne Lindenfels in Kooperation mit dem Nationalen Filmarchiv aus Prag vom 3. März bis 14. April eine Filmreihe von bisher nicht – oder sehr selten – in den deutschen Kinos gezeigten tschechischen Filmklassikern. Die insgesamt acht Filmem in vier thematischen Paaren sind in Chronologie ihrer Entstehungsjahre zu sehen. Alle Filme werden im Original mit deutschen Untertiteln gezeigt. Unter anderem basieren die Filme auf den literarischen Vorlagen der Autoren Karel Čapek, Vítězslav Nezval und Vladislav Vančuras. Buchgestaltungen von Werken dieser Autoren werden auch in der noch bis zum 11. August im Deutschen Buch- und Schriftmuseum zu sehenden Kabinettausstellung „Zirkus in der Druckerei. Tschechische Avantgarde“ dargestellt.
Programm der Filmreihe
Sonntag, 3. März, 19 UHR: Eröffnung mit Stummfilmklassiker „Erotikon“
Tschechoslowakei 1929 von Gustav Machatý, schwarz-weiß, 85 min, dt. Zwischentitel: „Erotikon“ ist ein tschechisches Stummfilm-Liebesmelodram von Gustav Machatý aus dem Jahre 1929. Der Film erzählt die Geschichte eines jungen Mädchens, das von seinem Verführer im Stich gelassen wird um später, als inzwischen verheiratete Frau, erneut von ihm umworben zu werden. Für Aufregung sorgte „Erotikon“ mit seinen für die damalige Zeit gewagten Erotikszenen. Am Stummfilmklavier der Pianist Robert Herrmann.
Sonntag, 10. März, 19 Uhr: From Saturday to Sunday
Tschechoslowakei 1931 von Gustav Machatý, schwarz-weiß, 69 min, OmU: Gustav Machatýs erster Tonfilm folgt einer schüchternen Stenotypistin, die in einem Nachtklub den Avancen zweier lüsterner Plutokraten entkommt, um dann in einer Arbeiterkneipe einem sympathischen Fremden zu verfallen. Das Psychodrama verbindet Realismus mit der poetischen Vision des Stadtalltags und experimentiert vor allem mutig und progressiv mit der Verwendung von Klang. Das Drehbuch stammt vom tschechischen Dichter und Schriftsteller Vítězslav Nezval.
Sonntag, 17. März, 19 Uhr Die Weiße Krankheit
Tschechoslowakei 1937 von Hugo Haas, schwarz-weiß, 106 min, OmU: In einem Land, dessen Einwohner durch die glühenden Reden eines Diktators erfolgreich von der eigenen Überlegenheit und der Legitimität des Krieges überzeugt sind, hat sich ein verheerendes Lepra-Virus verbreitet: Morbus Tshengi, genannt „die weiße Krankheit“. Doktor Galen ist der einzige, der ein Gegenmittel besitzt – er wird es jedoch nur preisgeben, wenn die Mächtigen bereit sind, den Krieg aufzugeben. Der Film basiert auf dem gleichnamigen Theaterstück von Karel Čapek, welches 1937 uraufgeführt wurde. Die Realparallelen zu den unmittelbar bevorstehenden Gefahren des Nationalsozialismus sind erschreckend präzise eingefangen.
Donnerstag, 21. März, 21.15 Uhr: Krakatit
Tschechoslowakei 1948 von Otakar Vávra, schwarz-weiß, 97 min,OmU: Krakatit: So heißt der gefährlichste Sprengstoff, den die Menschheit je entwickelt hat. Nicht nur seinem Erfinder, dem Chemiker Prokop, ist das bewusst, sondern auch diversen zwielichtigen Gestalten, die – zur Not auch mit Gewalt – versuchen, an die geheime Formel zugelangen. 1924 erschien die Romanvorlage von Karel Čapek, der auch hier wieder eine fast unheimliche Vorausschau bewies: Was damals noch wie eine Science-Fiction-Vision aus dem Kopf eines Autoren wirkte, war zur Erscheinung des Films 1948 nach Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki bereits Realität geworden.
Sonntag, 24. März, 19 Uhr: Der brave Soldat Schwejk
Tschechoslowakei 1956 von Karel Steklý, 105 min, OmU: Erster Teil der bekanntesten Verfilmung des satirischen Schelmenromans von Jaroslav Hašek. Mit Naivität und Bauernschläue übersteht der Offiziersbursche Josef Schwejk Obrigkeit und Ersten Weltkrieg und rüttelt dabei kräftig an den Grundfesten der Donaumonarchie. Viele Film- und Theaterregisseure hat Hašeks Roman zur Adaption angeregt, u.a. Erwin Piscator und Bertolt Brecht. Steklý fand jedoch mit Rudolf Hrušínský für den Soldaten Schwejk die Idealbesetzung.
Sonntag, 31. März, 19 Uhr: Melde gehorsamst
Tschechoslowakei 1957 von Karel Steklý, 91 min, OmU: Der zweite Teil der Verfilmung von Hašeks humoristischem Roman folgt den weiteren Abenteuern von Soldat Schwejk, der sich nun in der österreichisch-ungarischen Armee wiederfindet, aber auch in der Hitze des Gefechts nie seinen Optimismus verliert. Der Film gilt als zeitloser Klassiker, der mit Stil, Eleganz und nicht zuletzt seiner klaren Antikriegshaltung überzeugt, die selbst im repressiven Klima der späten 1950er Jahre nicht unterbunden werden konnte.
Sonntag, 7. April, 19 Uhr: Diamanten der Nacht
Tschechoslowakei 1964 von Jan Němec, 64 min, OmU: Als Gewinner des Grand Prix auf dem Filmfestival Mannheim-Heidelberg war Němecs existenzielles Drama der erste Vertreter der „TschechoslowakischenNeuen Welle“, der auch internationale Anerkennung fand. Er bietet einen äußerst ungewöhnlichen, einstellungsbezogenen Blick auf den Zweiten Weltkrieg. Die lose auf Arnošt Lustigs Autobiografie basierende Erzählung über zwei junge jüdische Männer, die von einem Deportationszug fliehen und in den Wäldern des Sudetenlandes Unterschlupf suchen, wird zu einer naturalistischen Studie über Gefährdung, Verstoßungund Entwurzelung.
Sonntag, 14. April, 17 Uhr: Marketa Lazarová
Tschechoslowakei 1967 von František Vláčil, 158 min, OmU
Das Hauptwerk der tschechischen Kinematografie ist ein harscher, aber auch höchst lyrischer Blick auf den Historienfilm. Die Liebesgeschichte über eine Bauerntochter, die sich im 13. Jahrhundert statt in einem Kloster in der Banditengruppe ihres Nachbarn Kozlík wiederfindet, ist die Grundlage für ein vielgestaltiges historisches Mosaik, welches verschiedene Charaktermotive und Themen zusammenbringt. Mehrjährige Recherchearbeiten über die Zeitperiode waren die Basis für die Verfilmung von Vladislav Vančuras Roman, in der Paganismus und Religion, Männlichkeit und Weiblichkeit, Hass und Liebe um Dominanz kämpfen.
Die Reihe ist eine Kooperation der Schaubühne Lindenfels und des Nationalen Filmarchivs Prag im Rahmen des Tschechischen Kulturjahres 2018/2019. Gefördert durch den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Mit freundlicher Unterstützung von Pilsner Urquell.